Kinderchirurg*innen holen sich Roboter ins Team
Seit Oktober werden an der Universitätsklinik für Kinder- und Jugendchirurgie in Graz nun auch Kinder mithilfe roboterassistierter Verfahren operiert. Damit ist das Uniklinikum Graz österreichweit das einzige Krankenhaus, das ein speziell für Kinder zugelassenes Robotersystem zur Verfügung hat. Säuglinge und Kleinkinder können so noch schonender und präziser minimalinvasiv behandelt werden. Das Team der Universitätsklinik für Kinder- und Jugendchirurgie hat bereits die ersten jungen Patient*innen erfolgreich robotergestützt operiert und nach Hause entlassen. Eine von ihnen – und die erste „Robotik-Patientin“ überhaupt – ist die zehnjährige Noemi. Ihr Fall zeigt, wie Kinder von neuen, KI-basierten robotischen Systemen wie dem Senhance profitieren.
Noemi schien die heutige Pressekonferenz zu genießen, vor allem, weil sie die Ärzt*innen und Pfleger*innen rund um sich bereits gut kannte. Sie war spürbar stolz, das erste Kind in Graz zu sein, bei dessen OP – beidseitige Leistenhernien – ein Roboter „mithalf“. Ihr Kommentar: „Ich finde es super, dass es so etwas Tolles jetzt auch für Kinder gibt!“ Ihre Mutter bestätigte, dass alles sehr gut verlaufen sei – und berichtete, dass die Ärzt*innen, die später auch operiert haben, schon bei der Erstaufnahme darauf hingewiesen haben, dass ihre Tochter robotergestützt operiert werden könne.
Der Vorstand der Grazer Kinderchirurgie, Univ.-Prof. Dr. Holger Till, zeigte sich erfreut, dass nun auch die kleinen Patient*innen auf dem gleichen Niveau wie Erwachsene roboterassistiert operiert werden können: „Durch das neue, speziell auf Kinder ausgerichtete und zugelassene System können wir nun auch Kleinkindern und Kindern eine minimalinvasive Roboterchirurgie anbieten – mit all ihren bekannten und erwiesenen Vorteilen. Damit kommt die maximale Präzision endlich auch in der Kinderchirurgie an!“
Seit mehr als zehn Jahren führt die Kinderchirurgie am Universitätsklinikum Graz minimalinvasive Eingriffe bei Neugeborenen und Säuglingen nach internationalen Goldstandards mit 3-mm-Instrumenten durch. „Davon wollten wir auf keinen Fall abweichen“, erklärte Till. Die Entscheidung, den Roboter ins Team aufzunehmen, basierte darauf, dass dieser Standard weiterhin eingehalten werden kann. „Vergleichbare Systeme wollen wir nicht einsetzen, da sie meist nur größere Instrumente (Ø 8-12 mm) verwenden und damit größere Wunden bei den Kindern erfordern.“
Enormes Potenzial KI-gestützter Robotersysteme
Hinter Till und seinem Team, bestehend aus Ärztinnen und Pflegekräften, liegen Wochen des Trainings am neuen System, gefolgt von den ersten erfolgreichen Operationen. Insbesondere auch die OP-Pflegekräfte sind neuartig gefordert und das interprofessionelle Team wurde gemeinsam geschult. „Neue chirurgische Technologien sind immer eine Herausforderung für das gesamte OP-Team, in dem Pflege und Ärzt*innen immer gemeinsam und auf Augenhöhe arbeiten. Bei jeder neuen Technologie ist aber das entscheidende Kriterium, wie die Patient*innen dadurch profitieren, das gilt ganz besonders für Kinder und Jugendliche wie zum Beispiel Noemi.“ Und ergänzt mit Blick zu den beiden Ärztinnen Oberärztin Dr. Agnes Bokros und Dr. Vanessa Wolfschluckner, die bei Noemis Erstaufnahme und Operation alle Prozesse entscheidend verantwortet haben: „Die Roboterchirurgie ist also eine Investition in die Zukunft der Klinik und der „Next Generation“ der Chirurg*innen.“
Wolfschluckner machte auf der Pressekonferenz auch deutlich, warum an „Robotern“ – eigentlich Telemanipulatoren – kein Weg vorbeiführt und warum es wichtig ist, sich möglichst früh mit ihnen vertraut zu machen. „In diesen unterstützenden Hilfssystemen liegt einfach die Zukunft der Chirurgie“, erklärte sie. „Wir können als Chirurg*innen noch so gut sein und alles perfektionieren, doch in Zukunft wird die konventionelle Laparoskopie durch KI-gestützte Assistenzsysteme ergänzt. Spätestens dann lassen sich Verbesserungen bei den Ergebnissen auch über diese technologischen Hilfssysteme mit integrierter KI erzielen“, ergänzt Till.
Die Kleinheit der Instrumente brachte den Durchbruch
Der KAGes-Vorstandsvorsitzende Univ.-Prof. Ing. Dr. Dr. h.c. Gerhard Stark unterstrich den Durchbruch, den das neue System für die Versorgung von Kindern darstellt: „Erstmals ermöglicht ein neues Gerät den Einsatz extra kleiner Instrumente – konkret: 3 bis 5 Millimeter statt der üblichen 8 Millimeter. Dank dieser verkleinerten Instrumente können Chirurg*innen nun auch Kinder ab zwölf Monaten robotergestützt operieren – mit allen Vorteilen, die wir von Systemen wie Da Vinci kennen, insbesondere der Überlegenheit in der Präzision. Und da Kinderchirurgie gleich Präzision bedeutet, kann dieser Vorteil gerade bei Operationen an Babys und Kindern den entscheidenden Unterschied machen!“
„Die Universitätsklinik für Kinder- und Jugendchirurgie am Uniklinikum Graz ist die erste Klinik in Österreich, die dieses neue Assistenzsystem in Betrieb nimmt – weltweit sind es erst ein Dutzend“, ergänzte DDr. Ulf Drabek, MSc MBA, KAGes-Vorstand für Finanzen und Technik. „Hilfssysteme wie dieses haben großes Potenzial, die chirurgischen Ergebnisse auch bei Säuglingen und jüngeren Kindern weiter zu verbessern. Wir freuen uns daher sehr, dass wir mit dem Senhance ermöglichen, die minimalinvasive Kinder- und Jugendchirurgie in Graz pionierhaft voranzutreiben.“ Erkenntnisse und Daten aus Graz werden auch in das Training der Künstlichen Intelligenz (KI) und damit in die Weiterentwicklung des Systems einfließen.
Optimierte Robotik läutet neue Ära ein
Dass die Grazer österreichweit die Ersten sind, ist kein Zufall: Hier werden jährlich 4.300 kinderchirurgische Eingriffe durchgeführt – und das in einem außergewöhnlich breiten Spektrum, das von Hodenhochstand und Reflux-Operationen über Nierenbecken- abgangsengen bis hin zu Zwerchfellbrüchen reicht, um nur einige der im Säuglings-, Kindes- und Jugendalter häufigeren Operationen zu nennen. Das Senhance-Robotik-System wird zunächst für Eingriffe wie Leistenhernien, Gallenblasenentfernungen, Refluxchirurgie und Blinddarmentfernungen eingesetzt. „Wir bauen das Know-how behutsam auf und operieren mit zunehmendem Komplexitätsgrad“, so Till. Nur so wird das Uniklinikum Graz auch in Zukunft jener Ort sein, an dem Patient*innen eine Spitzenmedizin erhalten. Dies bekräftigte auch Ulf Drabek: „Anschaffungen wie diese sind eine klare Investition in die Zukunft der Versorgung, weil sie unseren Chirurg*innen auch ein kontinuierliches Lernen und Weiterentwickeln ermöglichen.“
Nach Noemi werden am Uniklinikum Graz noch viele kleine Patient*innen davon profitieren, dass „es jetzt so etwas Tolles auch für Kinder gibt!“
Das Senhance-System wird derzeit gemietet, was den Vorteil bietet, dass es gründlich getestet werden kann, bevor über einen möglichen Ankauf entschieden wird.
Weltweit sind erst rund zwölf dieser speziell für die Kinderchirurgie geeigneten Geräte im Einsatz.
In Österreich ist das Uniklinikum Graz die erste Einrichtung, die ein Senhance-System in Betrieb genommen hat.
Verwendet werden 3-mm- und wiederverwendbare 5-mm-Instrumente sowie ein Ultraschallmesser.
Roboterchirurgie ist Teamarbeit. Ein Chirurg bzw. eine Chirurgin sitzen an einer Konsole mit großem 3D-Monitor. Sie operieren gemeinsam mit den sogenannten Tisch-Chirurg*innen, die direkt beim OP-Tisch stehen. Bei jeder OP ist natürlich auch das gesamte, interdisziplinäre OP-Team unverzichtbar.
Presseanfragen
Pressestelle des LKH-Univ. Klinikum Graz
Mag. Simone Pfandl-Pichler
Auenbruggerplatz 1, 8036 Graz
Telefon: +43 316 385-87791
Fax: +43 316 385-16942
Downloads
Abdruck kostenfrei unter korrekter Angabe des Fotocredits: